Von Manuel Brug | Profil
Expressivtöner. Die erstaunliche Karriere von Countertenor Bejun Mehta.
Der einst in Amsterdam und heute in Berlin wohnhafte US-Countertenor Bejun Mehta, ein Großcousin des Dirigenten Zubin Mehta, gehört zu den Stars seines Fachs. Der Kahlkopf mit durchdringendem Blick agiert nicht nur als großartige Bühnenpersönlichkeit – seine Stimme packt und verzaubert das Publikum. „Intensität geht mir über den schönen Ton“, so Mehta im profil-Gespräch. Mehtas Karriere findet gegenwärtig in Europa statt: Zwischen Wien und Amsterdam, Paris, Barcelona, Berlin und Salzburg agiert er in zahllosen Opernproduktionen, häufig in Zusammenarbeit mit dem belgischen Dirigenten und Sänger René Jacobs.
Bereits als Kindersopran feierte der 1968 in North Carolina geborene Mehta erstaunliche Erfolge – unter anderem wurde er von Leonard Bernstein engagiert. „Ich wollte Musik machen, seit ich denken kann“, erinnert er sich. Seine erste Karriere endete jedoch mit der Pubertät. Er versuchte sich als Bariton, bis er das Singen ganz ließ –und Plattenproduzent wurde. Die zufällige Lektüre eines Artikels über den US-Sänger David Daniels, einer der bekanntesten Vertreter des Stimmfachs Countertenor, ließ Mehta erneut umdenken. Mehta nahm Unterricht – und sorgte 1998 mit seinem Operndebüt an der New Yorker City Opera für Furore. Seine dritte Karriere hat Mehta mit moderner Musik und romantischen Kunstliedern an die Spitze der Verkaufscharts geführt. Demnächst will er auch dirigieren. „Das ist die natürliche Konsequenz meiner bisherigen Aktivitäten“, sagt er selbstbewusst.
„Orpheus ist die Elektra der Countertenöre.“
Bejun Mehta
Bejun Mehta und Glucks Orpheus – das ist eine besondere Konstellation. „Orpheus ist die Elektra der Countertenöre“, schmunzelt er. „Hier dreht sich alles um dich. Du bist ununterbrochen auf der Bühne. Da spielen natürlich Narzissmus und Nabelschau mit, und am Ende driftest du in irgendwelche Drogenwelten ab.“ Der für seine Expressivität gefeierte Sänger hat die Rolle schon öfter interpretiert, etwa unter René Jacobs in Wien. Nach dem Krumauer Dreh wird Mehta den Orpheus wieder am 23. und 31. Januar 2014 unter Leitung von Marc Minkowski bei der Salzburger Mozartwoche verkörpern, anschließend auf gemeinsamer Tour mit dem Dirigenten und seinem Orchester Les Musiciens du Louvre auf den Kanaren, in Madrid und Grenoble. Ein letztes Mal wird Mehta den antiken Sänger wohl ab 11. Mai bei den Wiener Festwochen 2014 in einer Produktion von Romeo Castellucci gestalten – jeweils in der einst für den Altkastraten Gaetano Guadagni konzipierten Wiener Uraufführungsversion.
Mit der Arie „Che puro Ciel“ beginnt Orpheus, Held von Glucks populärster Oper, seinen Eintritt in die heiteren Ge- filde des Elysiums. Unter demselben Titel versammelt Bejun Mehta auf einer soeben mit René Jacobs und der Akade- mie für alte Musik editierten CD elf Arien von fünf Komponisten, die alle vom Reformvirus infiziert waren – auch wenn sie sich dessen nicht unbedingt selbst bewusst waren, darunter Altmeister Johann Adolph Hasse, der Neapolitaner Tommaso Traetta, der in Petersburg für Katharina die Große komponierte, und der in London in galantem Stil Erfolge feiernde Bach-Sohn Johann Christian.